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25. Januar 2021

Fünf Fragen an … Götz Anspach von Broecker

Götz Ansprach von Broecker, Airbus Defence

Foto: privat

Der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus ist der größte Flugzeughersteller der Welt. Doch auch für die Schifffahrt entwickelt das europäische Unternehmen innovative Lösungen. Wir sprachen darüber mit Götz Anspach von Broecker von Airbus Defence and Space in Bremen.

 

MCN: Herr Anspach von Broecker, wenn der Name Airbus fällt, denken die meisten von uns wohl zuerst an die Luft- und Raumfahrt. Welche Verbindung gibt es zur maritimen Welt?

Das Mutterunternehmen ist der breiten Öffentlichkeit natürlich vor allem für seine Flugzeuge bekannt. Die Tochtergesellschaft Airbus Defence and Space ist spezialisiert auf die militärische Luftfahrt sowie auf Raumfahrtsysteme, Sensoren und militärische Kommunikationstechnologien. Viele Systeme, die wir entwickeln, eignen sich aber auch für die Schifffahrt. Die Themen Fernwartung und Fernüberwachung sind beispielsweise sehr aktuell. Da bringt Airbus sehr viel Expertise aus der Raumfahrt mit. Wir überwachen beispielsweise vom Boden aus mehrere Hundert Satelliten, auf denen mehrere Tausend Experimente laufen, die oft jahrelang vorbereitet wurden. Das sind hochkomplexe Systeme, und es dürfen keine Fehler passieren! Diese Kompetenzen sind auch im maritimen Bereich sehr gefragt. Der Technologietransfer zwischen Raumfahrt und Schifffahrt ist übrigens keine Einbahnstraße. Wenn wir ein Lagezentrum für die See erfolgreich einrichten, helfen uns die Erfahrungen daraus vielleicht auch für ähnliche Herausforderungen auf dem Mond oder Mars.

MCN: Was ist derzeit eine besonders spannende technische Entwicklung, was ist Ihr „Next Big Thing“?

Die aufregendste Entwicklung derzeit ist aus meiner Sicht der digitale Zwilling. Darunter verstehen wir, dass wir ein komplettes technisches System inklusive aller Funktionalitäten und damit verknüpften Dienstleistungen elektronisch abbilden und simulieren können. Für einen Schiffs- oder Flottenbetreiber bedeutet ein digitaler Zwilling seiner Systeme einen großen Mehrwert. Er erhält sämtliche Daten, die er benötigt, auf Knopfdruck. Er weiß genau, in welchem Status sein Schiff sich gerade befindet und kann diesen auch über dessen gesamte Lebenszeit nachvollziehen. Angenommen, sein Schiff ist mit einem Maschinenschaden nach Singapur unterwegs. Das Schiffsmanagement weiß dank des digitalen Zwillings genau, welche Teile verbaut wurden und kann schon vor dem Hafenanlauf die notwendigen Originalersatzteile besorgen und anliefern oder vor Ort drucken lassen. Es kann also sehr schnell und zielgerichtet handeln und wir dadurch auch einen großen Kostenvorteil haben. In der militärischen Luftfahrt, aber auch in der Autoindustrie wird mit digitalen Zwillingen schon erfolgreich operiert. Tesla kann beispielsweise im Notfall zentral gesteuert zusätzliche Batteriekapazitäten für einzelne E-Autos freigeben. Die technischen Möglichkeiten sind heute also vorhanden. Regulatorisch besteht allerdings teilweise noch Nachholbedarf.

MCN: Raumfahrt gilt als Hightech, die Schifffahrt eher als Gegenteil. Von welchen innovativen Technologien aus dem All könnte die maritime Branche noch profitieren?

Kennen Sie Cimon? Das ist ein sprachgesteuerter Assistent, der als kleine Kugel durch Raumstationen schwebt. Unser Astronaut Alexander Gerst hat sehr gern mit ihm zusammengearbeitet. Würde Gerst Cimon fragen, wo ein bestimmtes Werkzeug ist, könnte der Roboter ihm dies sagen. Cimon erkennt und analysiert Sprache. Er analysiert auch die physiologischen Daten der Astronauten. Sollte einer von denen in Panik ausbrechen, würde der Assistent das sofort erkennen. Die Hardware kommt von Airbus. Die Software stammt von IBM, über deren Rechner das auch läuft.
Einen Cimon könnte ich mir auch auf der Brücke eines autonom fahrenden Schiffs sehr gut vorstellen. Er könnte zum Beispiel den Funkverkehr abhören und sprachlich mit anderen Schiffen kommunizieren. Das ist sehr wichtig, denn im Schiffsverkehr wird immer noch viel verbal kommuniziert. Technisch ist das heute schon möglich. Damit das auf einem Schiff funktioniert, braucht dieses aber eine hochzuverlässige Datenanbindung. Die Infrastruktur dafür muss aufgebaut werden. Da können wir vor allem in Europa noch besser werden.

MCN: Welche Pläne hat Airbus für seinen Standort Bremen?

Bremen ist für Airbus ein wichtiger Standort. Wir sind hier sehr breit aufgestellt. Abgesehen von Hubschraubern finden Sie eigentlich alles, was Airbus zu bieten hat: militärische und zivile Flugzeugsysteme, Raumfahrt, maritime Sicherheitssysteme und vieles mehr. Wir sind auch an der amerikanischen Raumkapsel Orion beteiligt, um ein Highlight zu nennen. Bremen hat sich als sehr geeigneter Standort erwiesen, wenn es um Spezialentwicklungen geht. Bremen ist für uns eine Art Think Tank. Ein sehr spannendes Projekt, das wir in der Pipeline haben, ist die virtuelle Flugzeugwerft. Die geplante Wasserstoffplattform, die in Bremen entstehen wird, dürfte auch für die Schifffahrt ungeheuer spannend sein, geht es doch auch um die Entwicklung CO2-emissionsfreier Schiffsantriebe. Die Rahmenbedingungen für das alles sind in der Metropoloregion Bremen günstig. Luftfahrt, Raumfahrt und Automotive sind hier stark vertreten, die Wege sind kurz, auch die zu den politischen Entscheidungsträgern in der Region. Dadurch werden wir auch in Berlin gehört.

MCN: Sie haben Ihre Mitgliedschaft im Maritimen Cluster Norddeutschland erst kürzlich verlängert. Was hat Sie dazu motiviert?

Wir wirken sehr gern im Maritimen Cluster mit. Dabei interessiert uns in erster Linie die Vernetzung mit anderen Unternehmen und Organisationen und der sehr gute Draht zu den Bundesländern. Gemeinsam sind wir stärker. Das merken wir bei vielen Themen, aktuell insbesondere bei dem wichtigen Thema Regulation. Unsere Stimme wird in der Politik eher gehört, wenn wir nicht als Einzelunternehmen, sondern als Gemeinschaft auftreten. Das ist wirklich deutlich spürbar.

 

Über Götz Anspach von Broecker

Götz Anspach von Broecker arbeitet als Key Account Manager im Forschungs- und Entwicklungsbereich der AIRBUS Defence and Space GmbH in Bremen. Als solcher ist er für das Technologielobbying bei Forschungsfinanzierern, staatlichen Stellen und Agenturen und die Akquisition von Forschungsmitteln sowie die Anbahnung von Forschungskooperationen zuständig – kurz der Bereich Public Funding & Collaborations.
Dazu gehören auch Tätigkeiten als Mitglied in der Expertengruppe des INNOspace Master Programms, einem vom DLR-Raumfahrtmanagement im Jahr 2015 initiierten jährlichen Ideenwettbewerb. Götz Anspach von Broecker ist Beiratsmitglied im Niedersächsischen Luft und Raumfahrt Programm (NFL), aktives Mitglied im Nathan Zuntzt e.V. zur Förderung der Luft- und Raumfahrtmedizinforschung und Mitglied in beziehungsweise Leiter von verschiedenen Arbeitsgruppen bei BDLI, DGLR und BDSV, Niedersachsen Aviation und AviaSpace. Neben der beruflichen Aktivität engagiert er sich in Forschung und Lehre an Universitäten (Vorlesungen) und an Schulen (MINT) zum Thema Luft-, Raumfahrt und Anwendungstechnologien wie KI.

www.airbus.com/defence