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10. Oktober 2019

„Der Schlüssel zum Erfolg sind unsere Arbeiter“

„Maritime Unternehmen im Wandel“ lautete ein Themenschwerpunkt der MEER KONTAKTE Messe am 23. und 24. Oktober in Kiel. Im Interview erläuterte Christina Ørskov, CEO des Orskov Yard im dänischen Frederikshavn, vorab, wie die im Familienbesitz befindliche Werft aus der Krise im europäischen Schiffbau gestärkt hervorging.

MCN: Frau Ørskov, Sie führen Orskov Yard als Familienunternehmen in dritter Generation. Wie fing alles an?

Ørskov: Mein Großvater hat die Werft 1958 gegründet. Damals stellten wir noch Neubauten her. Mein Vater hat die Werft 1972 übernommen. Wir haben dann noch größere Schiffe gebaut und unseren Kundenkreis weltweit ausgebaut. Anfang/Mitte der 90er-Jahre mussten wir feststellen, dass es aus Kostengründen eigentlich nicht mehr möglich war, in Europa neue Schiffe zu bauen. Preislich konnten europäische Werften mit der Konkurrenz in Fernost damals nicht mehr mithalten. Mein Bruder Jeppe und ich waren Anfang der 90er-Jahre in das Unternehmen eingetreten. Wir haben schnell erkannt, dass das Neubaugeschäft nicht mehr funktionierte.

MCN: Wie haben Sie auf die Krise reagiert?

Ørskov: Wir haben angefangen, die Umstellung auf Reparaturen und Umbauarbeiten einzuleiten. Anfangs war es sehr, sehr schwierig. Wir hatten noch einen Auftrag für den Neubau von vier Fischtrawlern für Russland in unseren Büchern. Dann zog der Kunde auf einmal den Auftrag zurück. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon viel eigenes Geld investiert. Mein Vater, mein Bruder und ich sahen uns an und uns war klar: Nun war es endgültig an der Zeit, den Neubau aufzugeben. Wir wollten eine neue Werft gründen, die sich ganz auf Reparaturen und Umbau konzentrieren sollte. Das war 2003 soweit. Uns kam dabei zugute, dass es in Frederikshavn damals eine weitere, große Werft gab, die ebenfalls Schwierigkeiten wegen eines Kunden hatte, und deren Werksgelände wir in der Folge kaufen konnten. Diese Werft besaß zwei große Trockendocks, was gut passte, da wir damals nur zwei kleine Schwimmdocks hatten. Auf dieser Grundlage haben wir 2003 neu angefangen.

MCN: Heute ist Ørskov wieder eine sehr erfolgreiche Werft. Wie haben Sie den Turnaround geschafft?

Ørskov: Unsere Werft besaß einen sehr guten Ruf, besonders in Nordeuropa. Das kam meinem Bruder und mir bei unserem Neustart sehr zugute. Außerdem boomte zu der Zeit das Geschäft der Offshore-Branche. Unser Standort war für die natürlich sehr attraktiv, aber auch aus dem Ostseeraum kamen Kunden. So hatten wir einen sehr guten Start. Es sprach sich dann schnell herum, dass wir eine sehr hohe Qualität lieferten. Und wir lieferten zudem pünktlich. Das war der Schlüssel für unseren Erfolg. Davon profitieren wir heute noch, denn es ist natürlich deutlich billiger in Polen oder Rumänien, wo die Löhne niedrig sind, Werftarbeiten vornehmen zu lassen. Unser Alleinstellungsmerkmal ist es, hohe Qualität pünktlich zu liefern. Die Kunden honorieren das.

MCN: Welche Art von Schiffen bedient Ihre Werft heute?

Ørskov: Wir decken alle Marktsegmente ab. Das Geschäft mit Offshore-Schiffen nimmt gerade etwas ab. Aber es gibt genug zu tun mit Fähren, Trawlern, kleinen Kreuzfahrtschiffen, Marineaufträgen und Forschungsschiffen. Der Einbau von Abgasreinigungsanlagen, so genannten Scrubbern, ist auch ein interessantes Feld.

MCN: Wie erreichen Sie die Qualität, die Sie Ihren Kunden versprechen?

Ørskov: Unser Schlüssel sind unsere Arbeiter. Wir beschäftigen ausschließlich dänische Arbeiter. Ich bitte, das nicht misszuverstehen. Wir haben natürlich nichts gegen andere Nationalitäten. Aber in unserem Geschäft ist es wichtig, dass unsere Arbeiter sehr gut kommunizieren: mit den Schiffsbesatzungen, den Kapitänen und Inspektoren, aber auch untereinander. Das geht nur, wenn alle Dänisch sprechen. Wir investieren außerdem sehr viel in die Weiterqualifizierung unserer Arbeiter.

MCN: Viele Unternehmen klagen mittlerweile über Nachwuchsmangel. Betrifft Sie das ebenfalls?

Ørskov: Wir haben den Anspruch, dass zehn Prozent unserer Belegschaft aus Auszubildenden besteht. Wir schaffen das, aber es ist tatsächlich schwierig. Hier in Frederikshavn machen wir sehr viel. Erst kürzlich habe ich am Maritime Career Day vor rund 400 Studenten gesprochen. 18 Unternehmen aus der maritimen Branche hatten einen Tag lang ihre Tore geöffnet für sie. Auch wir hatten viele junge Leute auf der Werft, denen wir zeigen konnten, was wir hier tun. Aber es ist schwierig, jungen Menschen zu erklären, dass sie hier einen sehr attraktiven Job haben können. Wir versuchen ihnen zu zeigen, dass sie für einen guten Job nicht unbedingt auf die Universität gehen müssen.

MCN: Welche Rolle hat die Digitalisierung bei der Transformation Ihrer Werft gespielt?

Ørskov: Ehrlich gesagt, ist die Digitalisierung für uns kein großes Thema. Unser Unternehmen repariert Schiffe oder baut diese um. Wir machen Gegenstände wieder heil, die kaputtgegangen sind. Bei uns geht es darum, anzupacken und Lösungen zu finden. Daher werden wir hier auch keine Arbeiter durch Roboter ersetzen. Wir haben sehr gute Arbeiter. Die finden selber heraus, wie sie die Dinge am besten anpacken. Aber natürlich wollen wir uns als attraktives und modernes Unternehmen präsentieren. Dafür haben wir beispielsweise eine informative App entwickelt und sind auch in den sozialen Medien präsent. Aber unser Digitalisierungsgrad ist nicht hoch.

MCN: Kooperieren Sie mit anderen Firmen und Werften?

Ørskov: Ja, da ist sehr, sehr wichtig für uns. Wir haben beispielsweise Kontraktoren, die sich um Elektrik, Malerarbeiten oder Reinigung kümmern. Die haben sich hier alle innerhalb eines Radius von einem Kilometer angesiedelt. Da gibt es eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir arbeiten aber auch mit Werften in Skagen und Hirtshals zusammen. Wir tauschen mit denen auch Arbeiter aus. Wenn eine Werft gerade nicht ausgelastet ist, stellt sie der anderen, die vielleicht Bedarf hat, Arbeitskräfte zur Verfügung. Das funktioniert sehr gut.

MCN: Was versprechen sie sich von der MEER KONTAKTE Messe?

Ørskov: Ich freue mich darauf, in Kiel mehr darüber zu erfahren, was sich gerade in der maritimen Branche tut. Und natürlich wollen wir uns dort auch mit anderen vernetzen, Verbindungen zwischen Unternehmen aus dem norddeutschen Raum und Norddänemark herstellen. Ich freue mich auch darauf, anderen zu berichten, was wir machen. Und wir blicken optimistisch nach vorn: Ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in der Zukunft noch Schiffe geben wird. Die müssen repariert werden. Wir haben gerade in der Türkei ein neues Schwimmdock bestellt. Wir befinden uns also auf Wachstumskurs.

Über Christina Ørskov

Christina Ørskov (50) leitet die von ihrem Großvater gegründete Werft Orskov Yard A/S im dänischen Frederikshavn. In das Unternehmen trat sie 1991 ein und übernahm dort rasch Führungspositionen. Neben ihrer Arbeit für das eigene Unternehmen engagiert sich Ørskov in Wirtschaftsgremien in Frederikshavn und Norddänemark. Seit diesem Jahr gehört sie auch der Jury des EY Entrepreneur of the Year Awards in der Kategorie Start-up an.